Die Diversität der Ausbeutung: Zur Kritik des herrschenden Antirassismus, Eleonora Roldán Mendívil, Bafta Sarbo, 2023

Dieser Sammelband, herausgegeben von Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbo, kritisiert den liberalen Antirassismus in Deutschland und plädiert für eine materialistische Auseinandersetzung mit Rassismus, die den Zusammenhang zwischen Rasse und Klasse erklärt. Dazu erläutern sie zuerst, weshalb sie Marxismus als sinnvoll erachten und in welchem Zusammenhang die Produktionsverhältnisse und Rassismus stehen und leiten daraus einen materialistischen Rassismusbegriff ab. Danach erläutern sie den Zusammenhang zwischen Rassismus und anderen Diskriminierungsformen, wie zum Beispiel Geschlecht. Zu einem späteren Zeitpunkt, im fünften Kapitel, wird ebenfalls erklärt, weshalb das Konzept der Intersektionalität nicht ausreichend ist und das Verhältnis der Klasse verschleiert. In einem nächsten Kapitel wird das europäische Migrationssystem analysiert und anhand von konkreten Beispielen aufgezeigt, dass dieses Regime die Ausbeutungsverhältnisse befördert. Im sechsten Kapitel wird ein kurzer Abriss der Entstehung der Polizei gemacht und anhand von diesem erklärt, weshalb die Polizei rassistisch ist. Ausserdem wird der Aufstieg der Rechten materialistisch analysiert und zum Schluss wird der Zusammenhang zwischen Klasse und Rassismus hervorgehoben.

Da das Buch ein Sammelband ist, ist nicht jedes Kapitel gleich leicht zu verstehen und für gewisse Kapitel ist Vorwissen nötig. Allgemein hilft es für das Verständnis, wenn man bereits ein Grundverständnis für Materialismus und politische Ökonomie hat.
Wir finden, es ist ein sehr lesenswertes Buch, da es im deutschsprachigen Raum eines der einzigen aktuellen Werke mit einer materialistischen Analyse von Rassismus ist. Trotzdem haben wir einige Kritikpunkte anzumerken. Das Werk reduziert das Rassismusproblem auf die Produktionsverhältnisse, welche im Privatbesitz sind. Wir denken aber, dass sich Rassismus nicht auflöst mit der Enteignung der Produktionsmittel. Es braucht zusätzlich ein kritisches antirassistisches Bewusstsein, sowie eine Vergesellschaftung von Zwangs- und Verwaltungsmittel, welche der Staat benutzt, um die momentanen Verhältnisse aufrechtzuerhalten. Ein Beispiel dafür, weshalb diese Vergesellschaftung nötig ist, zeigt die DDR. Die DDR wird im Sammelband nicht erwähnt, jedoch gab es dort keine privaten Produktionsverhältnisse und trotzdem gab es ein Rassismusproblem. Migrant*innen wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt und z.B. bei politischer Organisation oder Schwangerschaft drohte eine Abschiebung. Gleichzeitig wurden Vertragsarbeiter*innen aus ehemals kolonisierten Ländern angeworben, um sie als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Dieses Beispiel zeigt auch, dass nicht nur die Frage der Produktionsmittel wichtig ist, sondern auch die Frage nach den Verwaltungs- und Zwangsmitteln. Also, dass nicht nur Eigentümer*innen von Produktionsmittel, sondern auch Personen, die über Verwaltungs- und Zwangsmittel verfügen (z.B. Menschen in staatlichen Machtpositionen), Interesse an Rassismus haben können.  

Wie bereits zu Beginn erwähnt ist es eine Sammelband mit Beiträgen von Celia Bouali, Sebastian Friedrich, Fabian Georgi, Eleonora Roldán Mendívil, Lea Pilone, Bafta Sarbo, Hannah Vögele und einem Vorwort von Christian Frings.

Das Buch ist (noch) nicht online verfügbar, aber es kann direkt beim Dietz Verlag oder einer Buchhandlung bestellt werden oder in (Uni-) Bibliotheken ausgeliehen werden. 

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